Rechte und Gesetze

Die Rechte und somit auch der Schutz von Kindern und Jugendlichen sind in der UN-Kinderrechtskonvention benannt. In der Bundesrepublik Deutschland sind die Grundrechte aller Menschen im Grundgesetz zu finden. Detaillierte Bestimmungen sind im Familienrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches sowie im Kinder- und Jugendhilfegesetz, dem Sozialgesetzbuch VIII, festgehalten.

Elterliche Sorge

Eltern haben nach dem Gesetz das Recht und die Pflicht für die Pflege und Erziehung ihrer Kinder da zu sein. Dieses Recht ist im Artikel 6 im Grundgesetz sowie im § 1 SGB VIII festgeschrieben und wird „Elterliche Sorge“ genannt. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Eltern das größte Interesse daran haben, dass es ihren Kindern gut geht und sie gut aufwachsen.

Im Bürgerlichen Gesetzbuch werden diese Grundsätze der elterlichen Sorge in § 1626 BGB näher beschrieben:

“Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen. Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).”

Die Eltern sollen bei der Erziehung ihrer Kinder deren wachsenden Fähigkeiten berücksichtigen. Sie sollten dabei beachten, dass sich ihre Kinder zu selbstständigen Menschen entwickeln und Stück für Stück Verantwortung für sich übernehmen können.

Zum Wohl des Kindes/Jugendlichen gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen.

Im § 1631 BGB wird die Personensorge genauer beschrieben. Hier wird bekräftigt, dass Eltern ihre Kinder pflegen und erziehen müssen. Die Eltern dürfen bei der Erziehung keine körperlichen Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen nutzen, denn Kinder und Jugendliche haben das Recht auf gewaltfreie Erziehung.

Zu den Aufgaben der Eltern gehört es auch, ihre Kinder zu beaufsichtigen - die sogenannte Aufsichtspflicht - und ihren Aufenthalt zu bestimmen.

Das staatliche Wächteramt

Der Staat wacht über die elterlichen Rechte und Pflichten. Dies wird „staatliches Wächteramt“ genannt.

Der Artikel 6 Grundgesetz benennt die staatliche Gemeinschaft als Instrument zur Kontrolle der Eltern. Diesen Auftrag des „staatlichen Wächteramtes“ übernehmen das Jugendamt und das Familiengericht. Diese verfassungsrechtlichen Grundlage wird auch im § 1 SGB VIII betont.

Wenn das Wohl des Kindes/Jugendlichen gefährdet ist, müssen das Jugendamt nach § 8a SGB VIII oder das Familiengericht nach § 1666 BGB geeignete Hilfen anbieten oder Maßnahmen treffen, um diese Gefahr abzuwenden.

Der staatliche Eingriff in die elterlicheSorge

Die Handlungsgrundlage für das Jugendamt bildet der § 8a SGB VIII - der Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung.

Von einer möglichen Kindeswohlgefährdung erfährt das Jugendamt entweder von Menschen, die beruflich Kontakt zu Kindern/Jugendlichen haben, von den betroffenen Kindern/Jugendlichen selbst oder von Dritten (z.B. Nachbarn, Freunde, Jugendverband). Das Jugendamt muss alle Informationen ernst nehmen.

Das Jugendamt führt nach Eingang einer Meldung eine Gefährdungseinschätzung durch. Gemeinsam entscheidet das Team im Jugendamt, ob das Wohl des Kindes/Jugendlichen gefährdet ist. Das Jugendamt hat die Möglichkeit einen weiteren Austausch mit anderen Fachkräften z.B. Psycholog*innen durchzuführen. Es kann einen angekündigten oder einen unangekündigten Hausbesuch, aber auch eine Beratung der Eltern im Jugendamt durchführen. Ziel ist es, die Eltern ernst zu nehmen und ihnen mögliche Hilfen anzubieten. Daran anschließend entscheidet das Jugendamt, ob es der Familie Hilfen anbieten kann. Eltern können die Hilfen annehmen bzw. auch ablehnen.

Stellt das Jugendamt fest, dass das Kindeswohl trotz des Hilfsangebotes oder der Ablehnung weiterhin gefährdet ist, kann das Kind / der*die Jugendliche durch das Jugendamt in Obhut genommen werden. Ebenso hat das Jugendamt die Möglichkeit das Familiengericht über den Verlauf der Hilfe in Kenntnis zu setzen. Daran anschließend hat das Familiengericht die Familie anzuhören, die Gesamtsituation zu erörtern und Maßnahmen festzulegen.

Die Inobhutnahme eines Kindes/Jugendlichen, das heißt seine Herausnahme aus der Familie, ist das letztmögliche Mittel, um das Kindeswohl sicher zu stellen. Zuerst wird familien-erhaltend gearbeitet. Kinder und Jugendliche haben das Recht auf eine Beratung und Begleitung durch das Jugendamt. Das Jugendamt entscheidet gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen, wie weiter vorgegangen wird.

Auch im Verein/Verband selbst gibt es Gefährdungssituationen für Kinder/Jugendliche. Hierbei ist zu unterscheiden in:

  • Kindeswohlgefährdungen durch eigene Mitarbeiter*innen (hauptamtliche Fachkräfte, ehrenamtliche Mitarbeiter*innen, Praktikant*innen, Bundesfreiwillige etc.)
  • Kindeswohlgefährdungen durch andere betreute Kinder/Jugendliche.

Die Vereine/Verbände sind angehalten, Machtmissbrauch, Übergriffe und Gewalt innerhalb ihrer eigenen Reihen nachzugehen. Denn im § 8a (4) SGB VIII wird nicht nur der öffentliche Träger der Jugendhilfe (das Jugendamt) verpflichtet zu handeln, wenn Gefahren für das Wohl von Kindern/Jugendlichen bekannt werden. Das Jugendamt soll durch Vereinbarungen mit freien Trägern der Jugendhilfe (z.B. Vereine und Verbände) sicherstellen, dass diese den Schutzauftrag ebenfalls wahrnehmen. Das bedeutet grob verallgemeinert, dass Vereine/Verbände sicherstellen müssen, dass ihre Fachkräfte bei Bekanntwerden gewichtiger Anhaltspunkte für die Gefährdung eines von ihnen betreuten Kindes oder Jugendlichen eine Gefährdungseinschätzung vornehmen können. Das nennt man Garantenstellung.

Das im § 8a (4) SGB VIII beschriebene Verfahren sieht dafür folgende Schritte vor

  • Fachkraft nimmt eine Gefährdungseinschätzung vor
  • bei der Gefährdungseinschätzung wird eine insoweit erfahrene Fachkraft beratend hinzugezogen
  • die Sorgeberechtigten sowie das Kind oder der Jugendliche wird in die Gefährdungseinschätzung einbezogen (soweit der wirksame Schutz des Kindes/Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird)
  • Fachkräfte der freien Träger sollen bei den Sorgeberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, wenn sie diese für erforderlich halten das Jugendamt informieren, falls die Gefährdung nicht anders abgewendet werden kann.

Wenn Kinder/Jugendliche dem Verein/Verband (z. B. in der Gruppenstunde oder im Ferienlager) anvertraut werden, hat der Verein/Verband – insbesondere der Vorstand nach § 26 BGB – für diese Zeit regelmäßig die Aufsichtspflicht. Mit der Übernahme der Aufsichtspflicht übernimmt der Vorstand auch eine Fürsorgepflicht. Daraus ergibt sich, dass er Gefährdungen von den zu beaufsichtigenden Kindern und Jugendlichen abwenden muss.

Der Vorstand kann sich durch bloßes Unterlassen strafbar machen – z. B. wenn er durch Unterlassung nicht die Körperverletzung eines*r Teilnehmenden verhindert. Mitarbeitende im Sinne des Vereins/Verbandes müssen immer dann aktiv werden, wenn Schutz- oder Rettungshandlungen notwendig sind, die in der konkreten Situation sowohl verhältnismäßig als auch zumutbar sind.

Tritt ein Schaden ein, kann das zur Folge haben, dass der Verein/Verband auch schadensersatzpflichtig ist – z. B. wenn durch absichtliches oder fahrlässiges Verhalten ein Schaden entstanden ist. Dies kann geschehen, wenn der Vorstand nicht alle organisatorischen Maßnahmen getroffen hat, um den Schaden zu vermeiden und wenn er bei der Auswahl der Mitarbeitenden nicht die notwendige Sorgfalt walten ließ.

Jugendverbandsarbeit und Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung

Die Kinder- und Jugendverbandsarbeit nach §12 SGB VIII ist eine vom Ehrenamt getragene Struktur, die in der Regel kein Träger von Einrichtungen und Diensten ist. Sie verfügt zudem über eine geringe bzw. gar keine sozialpädagogische Fachkräftestruktur. Die hauptamtlichen Fachkräfte in den Jugendverbänden müssen nicht zwingend sozialpädagogische Fachkräfte nach dem Sozialgesetzbuch VIII sein. Im Fall einer vermuteten Kindeswohlgefährdung können sie also das Jugendamt auch schon dann informieren, wenn sie ein ungutes Gefühl haben und in ihrer Arbeit keine weiteren Unterstützungen anbieten können. Zur Einschätzung ihres weiteren Vorgehens können sie eine insoweit erfahrene Fachkraft hinzuziehen. Sie haben laut § 8b SGB VIII einen Beratungsanspruch durch eine insoweit erfahrene Fachkraft. Auch ehrenamtliche Mitarbeiter*innen können sich nach § 73 SGB VIII beraten lassen.

Die Regelungen des § 72a SGB VIII bestimmen unter anderem, dass das Jugendamt sicherstellen muss, dass bei freien Trägern der Jugendhilfe keine Personen haupt- oder ehrenamtlich beschäftigt werden, die rechtskräftig wegen einschlägiger Sexualstraftaten verurteilt wurden.

Hinsichtlich hauptamtlicher Mitarbeiter*innen wird dazu vom Jugendamt als Nachweis die Vorlage eines Führungszeugnisses verlangt (vgl. § 72a Abs.1 Satz 2 SGB VIII). Mit den freien Trägern soll das Jugendamt Vereinbarungen treffen, die die Einhaltung dieser Regelungen sicherstellen (vgl. § 72a Abs. 2 SGB VIII). In der Praxis bedeutet dies, dass alle hauptamtlichen Mitarbeiter*innen ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen müssen.

Ehrenamtliche Mitarbeiter*innen mit einschlägigen Vorstrafen unterliegen ebenfalls einem Tätigkeitsverbot (vgl. § 72a Abs. 3 und Abs. 4 SGB VIII). Bei diesen besteht jedoch keine generelle Pflicht zur Vorlage eines Führungszeugnisses; nicht jede ehrenamtliche Tätigkeit in der Kinder- und Jugendhilfe soll zur Vorlagepflicht führen. Hier sollte gemeinsam mit dem Jugendamt geprüft werden, wer ein Führungszeugnis vorlegen muss.

Die Freien Träger der Jugendhilfe sollen nach § 74 SGB VIII gefördert werden. Dabei muss das Jugendamt sicherstellen, dass die fachlichen Voraussetzungen der Arbeit durch die freien Träger erfüllt werden und die Grundsätze und Maßstäbe der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung nach § 79a SGB VIII gewährleistet sind. An dieser Stelle muss das Jugendamt mit dem freien Träger unter anderem klären, wie der Prozess der Gefährdungseinschätzung nach § 8a SGB VIII geregelt ist. Dazu muss das Jugendamt mit den Freien Trägern Qualitätsmerkmale für die Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen und ihren Schutz vor Gewalt vereinbaren.

Aufbau von Schutzstrukturen in Jugendverbänden

Jugendverbände, die ausschließlich nach § 12 SGB VIII arbeiten, sind nicht verpflichtet Vereinbarungen nach § 8a SGB VIII mit den Jugendämtern abzuschließen. Sie sind jedoch dazu angehalten, eine für sich passende Schutzstruktur aufzubauen sowie Ansprechpersonen im Kinderschutz zu benennen und zu qualifizieren. Das Jugendamt kann z.B. nach § 79a SGB VIII eine individuelle Vereinbarung mit dem Jugendverband abschließen, die an die Strukturen des Verbandes angepasst ist. Jugendgruppenleiter*innen erhalten im Rahmen der JuLeiCa-Ausbildung einen Überblick über das Thema Kindeswohlgefährdung.